Sonntag, 11. Dezember 2016

Music Day November 2016 - Fischer & Fischer SN 470 mit Octave Audio V 110SE

Ein Beitrag von Rainer Götz

Unter Lautsprecherbauern gibt es (mindestens) zwei Grundüberzeugungen. Die eine Fraktion, häufig in Großbritannien angesiedelt, vertritt die Meinung, dass Boxengehäuse im Takt der Musik mitschwingen sollten. Die andere Gruppe vertritt im Gegenteil die Meinung, akustisch „tote“ Gehäuse wären das Optimum. Nun, die Fischer & Fischer SN 470 gehört eindeutig zu letzterer Fraktion. Ein Schiefergehäuse mit einem stolzen Gewicht von 89 kg/Stück bei einer Größe von 1160 x 325 x 405 mm (H×B×T, inkl. Bodenplatte) sprechen eine deutliche Sprache. Dabei ist die am 24.11.2016 gespielte SN 470 im Mittelfeld des Fischer & Fischer-Lautsprecher-Portfolios angesiedelt. Das Spitzenmodel SL 1000.1 wiegt stolze 283 kg. Da ist also vor dem Kauf Rücksprache mit einem Statiker durchaus angezeigt.

Die SN 470 ist eine 3-Wege-Box mit 2 in die Seitenwände integrierten 18er-Bass-Lautspechern sowie für den Mitteltonbereich einem 180 mm Konuslautsprecher mit karbonisiertem Papier Schaum-Karbonfolien-Sandwichmembrane und Alu-Phaseplug. Den Hochtonbereich übernimmt ein Air-Motion-Transformer, der von dem Frequenzweichen- und Hochtönerspezialisten Mundorf für Fischer & Fischer gefertigt wird. Also ein AMT-Hochtöner, der letztlich auf den Entwicklungen des deutschen Physikers Dr. Oscar Heil basiert. Gehäuse, Frequenzweiche und Chassis sind 100% Made in Germany! Das findet man selten.

Mit einer UVP von 13.800,- Euro für das Naturschiefergehäuse in spaltgrau und 15.700,- Euro für die geschliffene und lackierte Ausführung (dann auch in allen RAL-Farben bzw. PKW-Farben erhältlich) ist der SL 470 für einen reinrassigen Highend-Lautsprecher durchaus im günstigeren Bereich angesiedelt. Garantie übrigens 10 Jahre, was für den Qualitätsanspruch von Thomas Fischer steht. Einen ausführlicher Testbericht des Internetmagazins „fair audio“ finden Sie hier.

Angetrieben wird das ganze vom Octave Audio V 110 SE, der als erstes Modell weltweit die Möglichkeit bietet, den Verstärker mit jedem Lautsprecher unabhängig vom Konstruktionsprinzip optimal zu betreiben. Im V 110 SE kann man den Dämpfungsfaktor in drei Stufen (LOW, MED und HIGH) verändern und damit einen noch feinfühligeren Abgleich mit der elektrischen Last (Lautsprecher) erreichen. Dabei geht dies – typisch Octave Audio – ganz einfach: Dank einer speziellen Schaltung werden die unterschiedlichen Einstellungen einfach durch Tausch einer Eingangsröhre realisiert. Dabei kommen Röhren mit unterschiedlichem Verstärkungsfaktor zum Einsatz. Endstufenröhren sind die bewährten leistungsstarken KT 120, die – wenn noch mehr Leistung gefragt ist – auch gegen 4 Exemplare KT 150 ausgetauscht werden können. Wobei 2 x 110 Watt Sinusleitung an 4 Ohm mit den KT 120 mit Sicherheit für die meisten Anwendungsfälle mehr als genug sein werden. Gefertigt wird in Handarbeit im badischen Karlsbad. Mit dem Zusatznetzteil „Black Box“ bzw. „Super Back Box“ lässt sich die Netzteilkapazität nochmals erhöhen. Die Super Black Box lief beim Music Day als Unterstützung des V 110 SE mit.

Ein LED- Display und von außen zugängliche Einstellregler ermöglichen Kontrolle und Justage des Arbeitspunktes. Es können daher alle verwandten Röhrentypen der KT 120, KT 88 und 6550-Serie eingesetzt und optimal einjustiert werden. Die BIAS-Einstellung ermöglicht es, sowohl jede einzelne Endröhre ständig auf ihrem klanglich optimalen Niveau zu betreiben, als auch neue Röhren korrekt zu justieren. Die bewährte Octave Audio-Schutzschaltung schützt Gerät und Röhren vor Überlastung, Stromspitzen, Röhrendefekten usw. Wer schon mal ein „Wohnzimmer-Feuerwerk“ durch eine defekte Röhre erlebt hat, wird dies mit Sicherheit zu schätzen wissen. Weitere Informationen über den V 110 SE finden Sie hier: http://www.octave.de/htdocs/verstaerker/v110se.php

Als Zuspieler am 24.11. diente der bewährte Linn Akurate LP12 in der Whisky Wood Sonderausführung (riecht aber garantiert nicht nach Whisky Fass). Das MC-System stammte von Zyx, der Phonoverstärker kam von Tom Evans. Als Streamer diente der famose Linn Klimax Katalyst. Weitere Infos hier:
Der T+A MP 2000R MKII diente als Zuspieler für die CDs der Gäste. Dieser CD-Spieler/Netzwerk Client/DAC lief mit Erfolg schon beim Music Day im September. Hier der Link hierzu und für weitere Infos zum Gerät:
Und nun zur wichtigsten Frage: Wie klang das alles? Einstieg war eine Demonstration von Oliver Wittmann zu den drei verschiedenen wählbaren Dämpfungsfaktoren beim Octave Audio V 110SE. Eine CD von Eric Bibb diente als Referenz bei der Einstellung. Wir begannen mit „Med“. Der Klang ganz gut, nur hatte der Verstärker noch nicht ganz die optimale Betriebstemperatur erreicht. Dann Versuch mit „Low“: Ordentliches und doch sehr differenziertes Klangbild. Weiter mit „High“: Präzise, aber das Klangbild war angespannt, es klang wie ein viel zu enges Korsett, das die Musik einschnürte. Also zurück zu „Med“. Ja, das war offensichtlich die richtige Einstellung. Jetzt war der V110 SE auch auf Betriebstemperatur. Eric Bibb spielte locker und frei, die Gitarrenanschläge kamen schön unangestrengt perlend aus den beiden Fischer & Fischer SN 470.

Dann zeigte Dee Dee Bridgewater, dass Sie weit mehr ist, als die Ex-Ehefrau des Trompeters Cecil Bridgewater. In den letzten Jahren wurde ihre Gesangskarriere endlich auch von einem breiten Publikum wahrgenommenem. Zuvor war sie über vier Jahre hinweg u.a. die Leadsängerin der Thad Jones Mel Lewis Big Band.

Aus den beiden Schieferlautsprechern klang es relaxed und völlig locker. Präzise Raumabbildung und ein ungemeiner Swing „schwappte“ durch den Wittmann’schen Hörraum. Eine überzeugende Vorstellung dieser Ausnahme-Sängerin.

Jetzt Klassik: Die Sinfonia Drammatica von Ottorino Respighi gehört zu den eher unbekannten Werken des mit seinen Kompositionen über die Brunnen und Pinien von Rom zu Weltruhm gelangten Italieners. Das Werk heißt nicht von ungefähr Sinfonia Drammatika. Komplexe Klangbilder und große Dynamiksprünge zeichnen dieses Werk aus. Kein Problem für die Fischer & Fischer/Octave Audio Anlagenkombination. Ohne lästig zu klingen, bildet die Anlage das Orchestre Philharmonique Royal de Liege unter dem Dirigat von John Neschling ab.

Dann etwas ganz aus dem Rahmen fallendes: Der Dichter und Liedermacher Wolf Biermann hat gemeinsam mit seiner Frau Pamela aus Anlass seines 80sten Geburtstags zusammen mit dem ZentralQuartet, die CD „… paar eckige Runden drehn!“ eingespielt. Die in Kooperation mit dem Kulturradio des RBB veröffentlichte CD enthält neben einigen neuen Nummern Klassiker wie „Soldat, Soldat“ oder die „Ballade vom preußischen Ikarus“. Die Free-Jazzer vom ZentralQuartet verbiegen und verändern die bekannten Stücke, das es eine Freude ist. Das ganze kommt äußerst lebendig und dynamisch aus den Schieferlautsprechern, die dabei nie aus dem Takt kommen, auch wenn es mal sehr laut wird.

Zum Abschluss dann zwei Pianoaufnahmen. Die gerade erschienene „A Multitude of Angles“ von Keith Jarrett. Jarrett in Hochform. Wahrscheinlich der letzte Mitschnitt, hier von vier Konzerten in Modena, Ferrara, Turin und Genova, bei denen der Meister das jeweils ganze Konzert „in einem Stück“ durchgespielt hat. Jarrett – für diese Aufnahmen Produzent und Toningenieur in Einheit – ließ bei den Konzerten einen Schweizer Sonax-DAT-Recorder mit zwei hochwertigen Bruel und Kjaer Kondensatormikrofonen mitlaufen. Das Ergebnis ist nicht nur ein Zeitdokument. Jarrett wird in dieser Form nicht mehr auftreten, um ganze Konzerte ohne jegliche Pause durchzuspielen. Es ist aber auch schlicht schöne, bewegende Musik, die nie langweilig wird. Nur die Jarrett-typischen Schreie, das Mitsingen und -Grunzen stört hin und wieder. Aber das ist eben Keith Jarrett. Die Octave/Fischer & Fischer-Kombination schafft es, das Piano von Jarrett glaubhaft zwischen den beiden Schieferlautsprechern abzubilden.

Der deutsch-isländische Pianist Lars Duppler hat in Co-Produktion mit dem Deutschlandfunk die CD „Naked“ eingespielt. Wie der Name vermuten lässt, ebenfalls eine Piano-Solo-Aufnahme, die im Kammermusiksaal des DLF in Köln am 18./19.02.2015 aufgenommen wurde. Es erklang der Klassiker „My Favourite Things“. Auch hier ein präzise abgebildeter Flügel. Erstaunlich für einen relativ zierlichen Lautsprecher war auch hier die Basswiedergabe. Nach ein paar Minuten trat ein ähnlicher Effekt wie bei Keith Jarrett ein: Ich vergaß Lautsprecher und Anlage und lauschte fasziniert dem Pianisten. Beide CDs haben – jede auf ihre eigene Art – das, was der große Alfred Lion, einer der beiden deutschstämmigen Gründer von Blue Note Records, einstmals so umschrieb „… it must >schwing<“.

Fazit: Es gibt in der Klasse zwischen 12.000 und 16.000 Euro wahrlich genug hochwertige Lautsprecher. Wer eine außergewöhnlich gut klingende, optisch sehr ansprechende, nur 1,16 Meter hohe schlanke Säule Made in Germany sucht, sollte die Fischer & Fischer SN 470 unbedingt ins Auge fassen und sich bei Oliver Wittmann und Markus Nolden mal vorführen lassen.

Mit dem Octave Audio V 110SE ist Andreas Hofmann wieder ein Geniestreich gelungen. Der auf den Lautsprecher anpassbare Dämpfungsfaktor ist ein großer Schritt nach vorne. Ich bin mal gespannt, wie der V 110SE mit den von Oliver Wittmann so geschätzten Avantgarde Audio Hornlautsprechern (mit der Anpassung auf „Low“) zurechtkommt. Oder einem Elektrostaten bzw. Magnetostaten, für den die „High“-Anpassung optimal wäre. Dies eröffnet unserem Hobby ganz neue Möglichkeiten …

1 Kommentar:

  1. Ich hatte vergessen die Verkabelung zu erwähnen. Diese stammte von Swisscabel und harmonisierte hervorragend mit der vorgeführten Anlage. Ein besonderes "Highlight" dabei das von Oliver Wittmann hoch geschätzte neue Lautsprecherkabel Reference Plus. Mehr hierzu im Netz: http://www.swisscables.com/products-de/swisscables-reference-plus/speaker-cables/

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