Ein Beitrag von Rainer Götz
Bereits seit dem Jahr 2005 finden immer am ersten Februar-Wochenende des Jahres im Hamburger Hotel Holiday Inn die Norddeutschen HiFi-Tage statt. Zunächst als Initiative eines einzelnen Händlers, nun in der Regie eines professionellen Messeteams. Da für den 8. bis 9. September im Stuttgarter Holiday Inn eine ähnliche Veranstaltung unter dem Titel Süddeutsche HiFi-Tage stattfinden wird, war es interessant, die Hamburger Veranstaltung zu besuchen. Und es hat sich gelohnt, um dieses Fazit schon vorwegzunehmen.
Natürlich derzeit kein Besuch in Hamburg ohne einen Abstecher auf die Aussichtsplattform der Elbphilharmonie. Leider bei Schnee und Regen – aber das gehört ja zu einem Hamburg Besuch. Samstag und Sonntag ging es dann zur Messe ins besagte Holiday Inn.
Beim Computeraudio-Spezialisten Melco wurden drei Netzwerkstreamer der N1-Serie im Wechsel vorgeführt. Klang – in Kombination mit einem Naim Netzwerkplayer NDS und dem Naim Audio Vollverstärker Supernait – absolut auf Topniveau.
Ein guter Vertrauter bei HiFi-Messen ist Bernd Hömke von Input Audio. Bei ihm überraschte zunächst mal ein bis fast an die Schmerzgrenze vorgeführter Harbeth-Monitor M 30.2, eine Weiterentwicklung der legendären LS 5/9 der BBC. „Damit die Leute merken, dass Harbeth längst nicht mehr „gemütliche und zurückgenommene Lautsprecher herstellt – Hardrock ist kein Problem“, bemerkte Hömke grinsend. Die nachgeschobene Gefängnisszene aus der Fledermaus von Johann Strauss entschädigte Klassiklieber dann. Aber der Beweis war erbracht: Harbeth kann rocken!
Dann für mich eine äußerst positive Überraschung: Eine Messevorführung von Avantgarde Acoustic mit „normalem“ Lautstärkelevel. Armin Krauss war mit einem Paar Duo Mezzo XD nach Hamburg angereist und demonstrierte das Horn mit eigener Elektronik XA Pre und XA Power sowie dem Clearaudio Innovation Plattenspieler und Digitalelektronik von Chord aus Großbritannien. Sehr angenehme, leider ständig überfüllte Vorführung. Qualität spricht sich eben rum … Aber bei Oliver Wittmann gibt es seit ein paar Wochen in seinem Terminstudio in Isny die Möglichkeit, sich von den Fähigkeiten der Duo Mezzo selbst zu überzeugen. Und das in aller Ruhe.
Im Nachbarraum, beim TAD-Vertrieb, lief eine gut klingende Kombination mit italienischer Elektronik aus dem Hause Unison, bei dem der Rega Planar P 3 seine Stärken ausspielen und beweisen konnte, dass musikalische Höhenflüge auch mit einem einfach aussehenden, aber gut konstruierten „Brettchen-Spieler“ möglich sind.
Leider nicht in der aktuellen Vorführung, sondern nur in einer statischen Ausstellung war die Legacy-Serie von Tannoy. Aber Oliver Wittmann ist ja einer der ausgewählten Legacy-Händler in Deutschland und kann diese in Stuttgart präsentieren. In jedem Fall macht schon der optische Eindruck Lust auf mehr.
Ebenfalls immer überfüllt: Der Vorführsalon von Burmester. Highlight war sicher der Prototyp des Ende diesen Jahres auf den Markt kommenden Plattenspielers 175. Versprochen wird ein lebenslang wartungsfreies Laufwerk, bei dem alleine der Plattenteller 60 Kilogramm wiegt, was vor allem dem Messingkern geschuldet ist. Das Gerät ist aus einem vollen Aluminium-Block gefräst und hat selbstverständlich die typische Burmester-Chrom-Front der Reference Line. Die integrierte Signalverarbeitung für die feinen Phono-Signale baut auf der Burmester 100 Phonovorstufe auf und verarbeitet diese auf höchstem Niveau.
Abseits von diesem Highlight spielte das 111-Musiccenter, der 069-CD-Player und zwei in Mono geschaltete 911 Mk3-Endstufen. Die Lautsprecher BA 31 aus der Ambience-Serie des Berliner Herstellers vervollständigten das Setup. Über den Klang hier viele Worte zu verlieren, erübrigt sich eigentlich. Das hier Gebotene ist mehr als „State of the Art“, wobei sich die relativ bezahlbaren BA 31-Lautsprecher nochmals positiv herausheben. Bezeichnend, dass sich Mr. Workshop Mathias Böde aus der Redaktion STEREO für seinen HighRes-Workshop die Burmester-Anlage ausgesucht hat.
Octave Audio führte in Hamburg in Verbindung mit einem Musikserver von X-odos und Audio Physic vor. Die Röhren-Vollverstärker-Referenz Octave Audio V 80SE war Mittelpunkt der Anlage und wurde – wie Burmester – auch im Rahmen eines Workshops von Mathias Böde von STEREO dazu benutzt, den Einfluss der Vor- und Endstufenröhren auf Klangbild und Stabilität zu demonstrieren. Leider wurde – wie bei vielen Vorführungen – für meinen Geschmack zu laut vorgeführt. Hier wäre weniger mehr … Aber das Publikum war begeistert und damit hat diese Art der sehr dynamischen Demonstration ihre Berechtigung.
Relativ klein und kompakt und natürlich mit einem hervorragenden Klang auch die Präsentation bei Sieveking Sound. Diesmal stand die Verity Audio Otello im Mittelpunkt. Als Nachfolgerin der Leonore hat sie ein schweres Erbe anzutreten. Letztlich war die Leonore sieben Jahre in Produktion und wurde weltweit geschätzt. Mit der Otello hat sie einen würdigen Nachfolger, der zudem noch verstärkerseitig unkritischer sein soll als die Vorgängerin.
Die Otello ist ein zweiteiliger Lautsprecher, der es möglich macht, den mechanischen Wellenwiderstand des Gehäuses mittels Verwendung spezieller abgestimmter Elastomere zwischen den beiden Teilen im gewünschten Bereich zu halten. In jedem Fall überzeugte die Otello in Hamburg auf ganzer Linie. Zumal Jan Sieveking aus seinem riesigen Fundus, er ist ja DER Importeur audiophiler „Schätzchen“ aus aller Welt, Musik abseits der üblichen Vorführplatten präsentierte.
Kurzer Abstecher in den 17. Stock. Dort stellt Clearaudio zusammen mit dem fränkischen Lautsprecherbauer Ascendo eine Selektion aus seinem Programm vor. Erster Eindruck: Eine Hardrock-Band tobt über die Lautsprecher in einer Lautstärke für mich jenseits der Schmerzgrenze. Der Vorführer verkündet stolz, dass er noch viel lauter könne, wenn seine Raum-Nachbarn nicht wären. Ich fliehe … Im Nebenraum in einer statischen Ausstellung die Preziosen von Clearaudio. Welche Wohltat für Ohr und Auge. Besonders die Plattenwaschmaschine Double matrix professional SONIC beeindruckt ob ihrer Solidität aber auch der Optik.
Mehr Analog. Die AMG, Analog Manufaktur Germany, stellt den Giro Turntable mit dem 9W2-Tonarm vor. Gerade in den USA wird dieses Laufwerk mit 9-Zoll-Arm, zusammen mit seinem „großen Bruder“ Viella V12 und 12-Zoll-Arm, sehr geschätzt. Artikel in Stereophile und The Absolute Sound untermauern dies.
Für den, der es etwas günstiger wünscht: Auch ein guter Bekannter im HiFi-Studio Wittmann: Das MoFi-Ultra Deck. Leider in Hamburg nur zum Ansehen, nicht zum Hören. Da haben die „Fischköpfe“ (Sorry!) etwas versäumt.
Immer wieder ein Vergnügen: T+A aus Herford. Solidität, Wertigkeit, HighTech in Verbindung mit exzellentem Klang. In Hamburg der neue „Aluminium“-Lautsprecher Talis S 300 in Kombination mit dem PA 2500 R Vollverstärker und dem MP 2500 R Multiplayer. Das sieht nicht nur gut aus, das klingt auch so. Man merkt die „Gene“ der HV-(Highvolt) Serie. Absolut überzeugende Vorführung. Wenn jetzt noch anstelle von Dire Straits und Eva Cassidy und ähnlicher audiophiler Kost vielleicht mal eine Bigband oder auch gar eine klassische Sinfonie ertönen würde: Der Dank der audiophilen Gemeinde wäre T+A gewiss.
Zum Schluss nochmals eine äußerst gelungene Vorführung: Der deutsche Vertrieb von Focal und Naim stellte in Hamburg die in vielen Punkten revolutionäre Focal Kanta No. 2 vor. Angetrieben zunächst von einem Naim Uniti Nova, also einer dieser „eierlegenden Wollmilchsäue“, die CDs abspielen, mit gestreamten Daten von Festplatte, NAS, Internetradio, UKW- und DAB-Radio zurechtkommen und gleich einen passenden wohlklingenden Vor- und Endverstärker an Bord haben. Dabei sehen sie auch noch verdammt gut aus und – ich greife vor – klingen toll.
Es war in der Tat frappierend, wie der kleine 2 x 80 Watt starke Uniti Nova die Focal Kanta No. 2 in dem Konferenzsaal des Hotels bis zu höchsten Lautstärken antrieb. Zugegeben, der Nova war an seinen Belastungsgrenzen, zog sich aber mehr als achtsam aus der Affäre. Beim Umstecken auf die Kombination aus NAC-N272 und die Endstufe NAP 250DR gab es nochmals eine gewaltigen Sprung nach vorne. Alles klang offener, natürlicher, völlig unangestrengt. Und das Timing stimmte - Naim-typisch. Die innere Dynamik der Musik glänzte bzw. wurde sogar besser herausgearbeitet. Klasse Vorführung von Naim und Focal! Und man hatte den Mut auch Titel – sogar einen klassischen! - zu spielen, die dem geneigten Audiophilen eben nicht „aus den goldenen Ohren“ wieder rauskommen.
Ich ende mit meinem Bericht von den Norddeutschen HiFi-Tagen. Bewusst habe ich hier nur über Fabrikate berichtet, zu denen das HiFi-Studio Wittmann eine Verbindung hat. Wer sich über die Hamburger Schau oder andere Marken kundig machen will: Die Fachpresse berichtet in Print und Elektronisch. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier einige Links:
- https://www.fairaudio.de/news/norddeutsche-hifi-tage-2018-1117/
- https://www.hifistatement.net/event/item/2178-norddeutsche-hifi-tage-2018
- https://www.mactechnews.de/news/article/Messebericht-Norddeutsche-HiFi-Tage-2018-Ein-bisschen-mehr-geht-immer-168869.html
Zwei Trends gab es zu beobachten. Viele Hersteller suchen den Weg weg vom HiFi-Altar im Wohnzimmer. Vollverstärker und besonders die „All-in-One“-Komponenten werden verstärkt angeboten.
Zweiter Trend: Die Stromversorgung. Eindrucksvolle Demonstrationen, wie Netzkabel, Steckdosen, Steckdosenleisten, Trenntrafos und Netzfilter Störungen ausschließen und so den Klang verbessern können. Dies geht bis zu aufwendigen Geräten, die den Netzstrom für die angeschlossenen Geräte neu aufbauen oder synthetisieren. Ein spannendes Thema, das den Fachhändler fordert!
Fazit: Gelungene Veranstaltung, die was den Zuschauer/Zuhörerandrang angeht, jetzt so langsam an ihre Grenzen kommt. Erfreulich, dass in der Regel für den „Normalo“-Audiophilen bezahlbare Geräte vorgestellt wurden und nicht ausschließlich preisliche Überflieger. Wenn jetzt bei den Vorführungen etwas mehr „richtige“ Musik, anstelle von audiophilem „Geraschel und Geklimpere“ gespielt würde … Warten wir mal ab, wie das ganze dann bei den Süddeutschen HiFi-Tagen im September in Stuttgart abläuft.
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