Mittwoch, 5. Juli 2017

Faszination Hornlautsprecher 2017 - Bericht

Ein Bericht von Rainer Götz

Oliver Wittmann ist ja als Liebhaber und Protagonist von Hornlautsprechern bekannt. So war es nur konsequent, dass er am 30.6. und 1.7.2017 in sein Terminstudio bei Isny im Allgäu zur Veranstaltung „Faszination Hornlautsprecher 2017“ einlud. In drei Räumen wurden vier Anlagen von fünf Herstellern vorgestellt. Alles „Made in Germany“!

Die vollaktive Avantgarde Zero XD lief im kleinsten der drei Räume. Befeuert von einem T+A MP 2000 R, den der Hersteller selbst als Multi Source Player bezeichnet und der tatsächlich eine gelungene Kombination aus Highend Internet-, DAB-, UKW-Tuner, Streamer, CD-Player und DA-Wandler ist. Dem MP 2000 R analog zur Seite gestellt war ein klassischer Linn LP 12 mit MC-Tonabnehmer von ZYX.

Mit digitalem Programmmaterial von der CD klang es in dem relativ kleinen Raum richtig gut. Wohl auch dank der digitalen Einmessung auf den Hörraum spielte die Zero XD sehr ausgewogen und dynamisch. Man hatte nie den Eindruck, als wäre dieser Lautsprecher zu groß für den Hörraum, was bei Passivboxen in dieser Größe wahrscheinlich der Fall wäre.

Außerdem passte sich die weiße Zero XD auch optisch gelungen dem Raum an. Der immerhin knapp über 1 Meter hohe und 49 Zentimeter breite Lautsprecher „überlud“ optisch den Raum keineswegs, sondern integrierte sich auch visuell.

„Großes Kino“ wurde – auch ohne Bild – geboten: Der Filmkomponist Dave Grusin, ausgezeichnet mit bislang 10 Grammys und 1 Oscar, präsentierte in einem Livekonzert im Jahr 2011, zusammen mit dem 75 Personen zählenden Orchester des „Henry Mancini Institutes“, 12 Songs von Dave Grusin, Leonard Bernstein, George Gershwin und Henry Mancini. Gastsolisten wie Gary Burton, Monica Mancini und Patti Austin unterstützen ihn dabei.

Die Urgewalt einer mit Streichern erweiterten Bigband wurde hör- und spürbar, ohne aber lästig und „zu laut“ zu klingen. Plattentitel „An Evening with Dave Grusin“ – gibt es auch XR-CD. Eine SACD von Kristian Järvi mit dem Royal Scottish National Orchestra mit ausgewählten Märschen von John Philip Sousa wirkte über die Kombination aus T+A MP 2000 R und Avantgarde Acoustic Zero XD ausgewogen und niemals lästig. Der „Liberty Bell March“, der einst jede Folge von „Monty Pythons Flying Circus“ einleitete, machte richtig Spaß, so präsent und durchsichtig, wie diese Kombination spielte.

Nächste Anlage – jetzt deutlich eine Nummer größer – Avantgarde Acoustic Uno XD. Programmquelle wieder der MP 2000 R auf der digitalen Seite. Der Thales TTT-Compact II als Plattenlaufwerk, im Zusammenspiel mit dem Thales Tonarm und dem klassischen EMT JSD S 75-MC-Tonabnehmersystem spielte Analog auf. Die Verstärkung übernahm ein Octave Audio Vollverstärker, der überreichlich Leistung für die Avantgarde Acoustic Hörner zur Verfügung stellte. Wobei es entscheidend auf die ersten 2-3 Watt ankommt, die letztlich für das Klangerlebnis verantwortlich sind.

Erfreulicherweise spielte Armin Krauss von Avantgarde Acoustic bei seiner Vorführung abwechselnd CD und Vinyl. Was „besser“ klang? Beides hatte seine Berechtigung, und wie so oft bei guten Anlagen, die optimal eingestellt sind, war dies eigentlich ohne Bedeutung. Beides machte Spaß und ließ unweigerlich die Füße mitwippen. Egal ob nun die Allman Brothers Band von CD oder Bert Kaempfert auf Vinyl-LP, beides klang toll. Nie störten hörbare Hornverfärbungen, Streicher kamen seidig, aber nie im schlechten Sinne „röhrig“ und abgesoftet weich. Auch diese Anlagenkombination zeichnete sich durch einen hohen Spaßfaktor aus. Man hörte Musik und nicht HiFi!

Nächste Anlage und wieder eine Stufe besser: Die Kombination aus Avantgarde Acoustic Duo XD und dem Röhrenvollverstärker Octave Audio V 80 SE. Wobei dieser in einer von Oliver Wittmann ausgetüftelten Biaseinstellung, kurz „OW-Modifikation“ genannt, im Zusammenspiel mit selektierten KT 88-Röhren lief, die schon beim Music Day im Februar 2017 vorgestellt wurde (siehe Bericht).

Zuspieler war der Multiplayer von T+A MP 3100. Eine Kombination aus SACD- und CD-Player, DA-Wandler für PCM- und DSD-Signale, Streamer und Internetradio, DAB- und UKW-Radio. Die Analogseite wurde vom Dr. Feickert Blackbird mit Kuzma 4 Point Tonarm und dem sensationellen DS Audio DS 002 abgedeckt, dessen Tonabnehmer seine Signale opto-elektrisch per Lichtleiter weitergibt und somit weitgehend auf bewegliche Teile, Spulen etc. verzichten kann. Ich denke, Oliver Wittmann wird die DS-Systeme zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen eines Music Day noch ausführlicher präsentieren. In jedem Fall hochinteressante Systeme.

Ich bin Hornlautsprechern gegenüber in der Regel immer etwas kritisch eingestellt. Diverse Präsentationen im Rahmen des Music Day im Verlauf des letzten Jahres haben aber dazu beigetragen, dass ich diese Haltung mehrfach revidieren konnte. Die Duo XD hat mich allerdings restlos überzeugt.

Eine Aufnahme mit der San Francisco Symphony und deren Dirigent Michael Tilson Thomas in HighRes-Auflösung mit 24 Bit Wortbreite und 96 kHz Abtastfrequenz klang derartig fein differenziert, wie ich Mahlers 2. Sinfonie noch nie gehört hatte. Ich entdeckte erstmals Details, die mir bislang verborgen geblieben waren. Null Verfärbungen, kein Horn-Tröten und Stille! Kein leises Brummen, kein Knistern oder Rauschen.

Andreas Hoffmann von Octave hat seine „Verstärker mit Röhren“ voll im Griff und achtet bei der Abstimmung peinlich genau darauf, dass keine Nebengeräusche und Störungen das Musiksignal beeinflussen. In jedem Fall klang die Kombination aus Octave V 80 SE in der OW-Modifikation in Verbindung mit den Avantgarde Acoustic Duo XD und dem T+A MP 3100 als Zuspieler „göttlich“.

Selbst meine Gattin, großen Lautsprechern gegenüber durchaus kritisch eingestellt, erkundigte sich ohne mein Zutun nach dem Preis der Duo XD und störte sich offensichtlich nicht an deren Design. Wer weiß, vielleicht kann ich die Duo XD mal in der eigenen Anlage in den Wittmann’schen Betriebsferien ausprobieren …

Die neue Aufnahme von Diana Krall, in HighRes 24/96, Paul Simon und Ladysmith Black Mambazo, Bruce Cockburn mit „If I Had a Rocket Launcher” … Jede Aufnahme offenbarte bislang nicht wahrgenommene Details. Das ganze übrigens bei zurückgenommener Zimmerlautstärke. Thomas Brieger von Octave Audio erlag erfreulicherweise nicht der Versuchung, „dem Affen Zucker zu geben“ und die Duo XD extrem laut zu spielen. Dieses Horn ist also auch ein ganz hervorragender „Leise-Sprecher“. Sie merken, lieber Leser, ich muss meinen Enthusiasmus zurückhalten. Schließlich geht es noch einen Schritt weiter.

Etwas abseits stand eine der Überraschungen der diesjährigen High End in München. Die erste „Single Ended“-Triode von Octave Audio. Wie von Octave gewohnt weit weg von diversen Garagen-Basteleien mit 1,5 bis 3 Watt Leistung aus 300 B- oder 2A3-Trioden. Andreas Hoffmann setzt KT 120- oder KT 150-Röhren ein und erreicht so eine Leistung von immerhin 8 Watt. Für Hornlautsprecher in der Regel völlig ausreichend.

Oliver Wittmann und Thomas Brieger gaben dem V 80 SE aktuell den Vorzug, da der Hörraum sehr hoch war und sich über zwei Stockwerke erstreckte und so eine höhere Ausgangsleistung des Verstärkers plus ausreichend Reserve notwendig war. Der Single Ended Octave V 16 kam aus diesem Grund „nur“ als Kopfhörerverstärker zum Einsatz. Aber was für einer. Unbedingt anhören.

Die Avantgarde Acoustic Trio XD – hier gespielt mit je einem Basshorn XD für den linken und rechten Kanal – ist ohne Zweifel ein Ausnahmelautsprecher. Wenn hier Bert Kaempfert und seine Bigband loslegt oder am anderen Extrem eine kontroverse Band wie Rammstein: Beeindruckend klingt beides. Was einem letztlich gefällt, entscheidet der eigene Geschmack. Angesteuert wurde beim Wittmann’schen Hornevent das Ganze von der Octave Audio Vorstufe HP 700 und der Endstufe RE 320 aus dem gleichen Hause.

Vinylplatten liefen auf dem AMG Viella 12T. Ein neuer Plattenspieler der Topklasse im Programm von Oliver Wittmann. Toller Klang paart sich hier mit gutem Design und wertiger Verarbeitung. Und das alles auch noch – für Highend Verhältnisse – zu einem günstigen Preis-/Leistungsverhältnis. Der T+A Multiplayer MP 3100 diente auf der digitalen Ebene als Zuspieler.

Diese Kombination mit den Trio XD einmal zu erleben, war wieder ein Genuss, der im Gedächtnis bleibt. Diese Urgewalt lässt sich mit Worten schwer beschreiben und muss selbst angehört werden. Wobei die Trio XD auch die leisen Töne beherrscht. Spaß macht sie in jedem Fall. Ein Gast brachte eine alte Monoaufnahme von Louis Armstrong mit. Offensichtlich ein Auszug aus der Platte „Louis and the Good Book“, auf der Satchmo Gospel und Spirituals singt und spielt. Letztlich war es gleichgültig, ob die Aufnahme in Mono ist und auch ob diese etwas mehr knisterte. Alle Zuhörer hatten in jedem Fall ihr Vergnügen mit „satchel mouth“ Louis Armstrong.

Die von Oliver Wittmann und Markus Nolden geleistete Feinarbeit und Abstimmung sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Hier schlägt die über 20-jährige-Erfahrung durch, und es wurde nichts dem Zufall überlassen. Stromversorgung über Ringmat-Netzkabel und Audioplan Powerplant S III (aka „Keksdose“). NF-Kabel von Swiss Cables und Cardas, Unterstellfüße und Spike-Basen von Harmonix … Ohne dieses Feintuning und das vorhandene Know-How wäre das Gesamtergebnis nicht so exzellent ausgefallen.

Als Fazit kann man in jedem Fall von einer gelungenen Veranstaltung sprechen. Unsere anglophonen Freunde würden sagen: “Never had so much fun with my clothes on!”. In entspannter Atmosphäre, bei gutem Wetter, in schöner Landschaft. Die von vorangegangenen Veranstaltungen schon legendäre Wittmann-Brezel als Stärkung, nebst Prosecco, Mineralwasser oder Kaffee, hielten die Besucher – neben den vorgestellten Anlagen – bei Laune. Die freundliche Aufnahme durch die Familie Wittmann tat ein Übriges.

Der Zuspruch für die Veranstaltung war groß, der Parkplatz vor dem Haus stets gut gefüllt. Das Interesse an unserem Hobby wurde mit dem Event im Hause Wittmann in jedem Fall wieder geweckt und es bleibt zu hoffen, dass sich dies für Oliver Wittmann auch auf der Verkaufsseite rechnet. Ernsthafte Interessenten gab es meiner Beobachtung nach zuhauf, ebenso „glänzende Augen“, die den „Habenwollen-Effekt“ zeigten. Hoffen wir auf eine Wiederholung oder besser Fortsetzung im kommenden Jahr!

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