Ein Beitrag von Rainer Götz
Am 26. Januar 2017 gab es bei Oliver Wittmann eine in jeder Hinsicht aus dem Rahmen fallende Vorführung, die rein nach der Papierform gar keinen großen Sinn zu ergeben schien. Wie man sich täuschen kann...
Als Lautsprecher kam die Avantgarde Acoustic Zero 1 XD-TA zum Einsatz. Im Prinzip die testbewährte Zero 1 XD in der teilaktiven Version. Also im Bassbereich der 500-Watt-Class-D-Verstärker, der das 32-cm-Basschassis aktiv antreibt. Im Mittel-/Hochtonbereich aber als Passivbox ausgelegt. Der Kunde hat somit die Möglichkeit, einen Verstärker seiner Wahl einzusetzen. Da Mittel- und Hochton bei Avantgarde Acoustic als Hornlautsprecher ausgeführt sind, werden für diesen Bereich im Prinzip keine Leistungsmonster benötigt. Röhrenverstärker im Push-Pull- oder sogar Single-Ended-Prinzip oder kleine Class-A-Verstärker mit geringen Ausgangsleistungen reichen völlig aus. Entscheidend ist „das erste Watt“, also wie ein Verstärker mit minimaler Leistung arbeitet.
Der von Oliver Wittmann für diese Anlage eingesetzte Verstärker überraschte. Obwohl nur kleine Ausgangsleistungen zum Betrieb der Zero 1 XD-TA notwendig sind, wurde „großes Geschütz“ aufgefahren: Der T+A Vollverstärker PA 3100 HV nebst dem optional erhältlichen Zusatznetzteil PS 3000 HV. Mit einer Leistung von 2 x 500 Watt an eine 4 Ohm-Last für den Lautsprecher eigentlich völlig überdimensioniert und dann auch noch das Zusatznetzteil - die Fragezeichen in den Gesichtern der Besucher des Music Day waren unübersehbar.
Als Zuspieler diente auf der Analog-Seite der bewährte Linn Sondek LP 12 Akurate mit ZYX-MC-Tonabnehmer und einer Phonovorstufe von Tom Evans. Digital wurde über die „eierlegende Wollmilchsau“ von T+A, dem MP 2000 R zugespielt. Der MP 2000 R verbindet einen CD-Spieler der Spitzklasse mit einem Top-DA-Wandler für alle nur denkbaren externen digitalen Quellen, also Computer, NAS-Speicher, Laptop, Settop-Box usw. Streamer für TIDAL und Co. sowie Internetradio sind ebenfalls integriert. Nun waren alle gespannt wie diese – auf dem Papier zumindest – ungewöhnliche Anlagenzusammenstellung denn klingen würde. Also auf zum Hörtest...
Zuerst wurde über den Streamingdienst TIDAL (in der HiFi-Version und CD-Auflösung natürlich) von Franz Schubert aus der Winterreise der „Leiermann“ aufgerufen. Dietrich Fischer-Dieskau stand präzise im Raum, dahinter Harald Moor am Flügel. Schöne Aufnahme und bewegende Musik. Dann die vier Bass-Saxofonisten von Deep Schrott. Ebenfalls mit dem Leiermann von Franz Schubert. Eine ungewöhnliche, aber auch musikalisch durchaus reizvolle Adaption des Klassikers. Dann Wechsel zu Großorchestralem: Aus dem „Rite of Spring“ (Frühlingsopfer) von Igor Stravinsky „The Sacrifice“, also der letzte Satz. Eine Aufnahme mit dem Minnesota Orchestra unter der Leitung von Eiji Oue. Am Mischpult dieser, auf dem audiophilen Label Reference Recordings erschienenen Aufnahme, der legendäre („Professor“) Keith O. Johnson. Da tobten die Streicher mit dem Blech um die Wette, abgrundtiefe Pauken und das alles plastisch im Raum. Geniale Symbiose zwischen aktivem Bass und den Hornlautsprechern für den Mittel- und Hochtonbereich. Ein Erlebnis!
Dann Analog über den Linn LP 12 Akurate. Dan Berglunds und Magnus Öströms E.S.T. Symphony, diese Referenz an das E.S.T. Quartett und ihren bei einem Tauchunfall tödlich verunglückten Leiter Esbjörn Svensson. Interessante Mischung aus orchestraler Klassik, mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra unter dem Dirigat von Franz Ek und intimen Sextettaufnahmen mit den Herren Berglung, Öström, Iiro Rantala, Marius Neset, Verneri Pohjola und Johan Lindström. Manchmal für meinen Geschmack etwas zu „sweet“, aber die Grenze zum Kitsch nie überschreitend.
Dann Kontrastprogramm von CD: Wolf Biermann, nur mit seiner Gitarre, bei dem ersten Auftritt in Westdeutschland im Jahr 1965. „Was verboten ist, das macht uns grade scharf“, witzig und ironisch nimmt der Meister die ihm in den Weg gelegten Schwierigkeiten mit der DDR-Staatsmacht aufs Korn. Dann, zur allgemeinen Erheiterung von der gleichen Platte, Wolfgang Neuss und seine „Innere Führung-Kettenreaktion“. Wer die nicht kennt, unbedingt anhören: https://www.youtube.com/watch?v=kmKkU5G5B3k.
Dann wieder Vinyl: Eine echte Entdeckung ist die ECM-Aufnahme „The Invariant“ vom Benedikt Jahnel Trio. Klassisches Jazz-Pianotrio in der Tradition von Bill Evans, im typischen ECM-Sound. Übrigens auch als HighRes-Download als FLAC-Datei mit 24 Bit/96 kHz verfügbar.
Die SACD „Tune thy Musike to thy Hart“, eine gemeinsame Aufnahme der Vocalgruppe „Stile Antico“ und „Fretwork“, spielte Oliver Wittmann dann zum Vergleich mit und ohne das T+A Zusatznetzteil PS 3000 HV. Die Zuhörer glaubten ihren Ohren nicht: Das war ein deutlich wahrnehmbarer Unterschied. Mit Zusatznetzteil klang es voller, offener und prägnanter. Die Instrumente und die Sänger waren eindeutig plastischer auf der imaginären Bühne abgebildet. Oliver Wittmann hatte Recht: Das Zusatznetzteil bringt auch bei dem 2 x 500 Watt-Verstärker nochmals einen deutlichen Klanggewinn. Klingt vielleicht unlogisch, ist aber so.
Insgesamt eine hervorragend und ausgewogen klingende Anlage. Gleich ob Gregory Porter „Live in Berlin“ oder das Andrew Cyrille Quartet (mit Bill Frisell) oder Pop aus Island, es klang immer schlicht hervorragend. Alle Komponenten haben ihre Extraklasse unter Beweis gestellt. Es zeigte sich wieder mal, dass letztlich das Ohr der alleinige Klangmaßstab ist und auch eine nicht auf der Hand liegende Anlagenzusammenstellung klanglich Herausragendes zu leisten vermag. Grau ist alle Theorie. Die Wahrheit liegt in der Praxis!
Mehr Informationen finden Sie hier:
- http://www.wittmann-hifi.de/hifi/audio/avantgarde_acoustic_zero_1_xd-ta.htm
- http://www.wittmann-hifi.de/hifi/audio/ta_pa_3100_hv.htm
- http://www.wittmann-hifi.de/hifi/audio/ta_ps_3000_hv.htm
- http://www.wittmann-hifi.de/hifi/audio/ta_mp_2000_r.htm
- http://www.wittmann-hifi.de/hifi/audio/linn_akurate_lp12.htm
- http://www.wittmann-hifi.de/hifi/audio/tom_evans.htm
- http://www.lenhifi.de/produkte/tonabnehmer/zyx/46-zyx-tonabnehmer
Ergänzend dazu ist in der Februar-Ausgabe des britischen HiFi-Magazins "hi-fi+" ein Test der Avantgarde Acoustic Zero - TA erschienen. Zitat von Alan Sircom: I'd happily buy a pair of Avantgarde Acoustic Zero - TA and enjoy them for the longest time. I will be suggesting the heavenly to anyone who asks, too - in original or new Teil Aktiv form. Strongly recommended.
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