Ein Beitrag von Rainer Götz
Es herrscht Unruhe im Land der Audiophilen: Immer mehr Interessenten werden durch explodierende Preise für HiFi-Komponenten abgeschreckt, während die Verkaufszahlen von Designer-Anlagen, Bluetooth-Lautsprechern und ähnlichem steigen. Fachhändler, die den Markt intensiv beobachten, ziehen daraus ihre Schlüsse, suchen nach neuen Wegen und kehren immer öfter den klassischen Komponenten, den mannshohen Lautsprechertürmen, den „begehbaren“ Endstufen und den aus Voll-Aluminium gefrästen Preziosen den Rücken.
Auch Oliver Wittmann hat den Trend vor Jahren schon erkannt. Anstelle amerikanischer Boliden werden innovative Komponenten aus Großbritannien (Linn, Naim, Creek) oder deutschen Landen (Avantgarde Acoustic, Lindemann, Manger) angeboten. Der Trend geht dabei zu Streaming-Lösungen und einfacher im Wohnraum zu integrierenden Lautsprechern. Meist aktiv und mit DSP-Unterstützung und elektronischer Anpassung an den Wohnraum.
Bei dem immer am letzten Donnerstag eines Monats stattfinden Music Day wurde am 31.03.2016 ein besonderes neues Lautsprecherkonzept vorgestellt: Die Kii Audio Three, präsentiert vom CEO von Kii Audio Chris Reichardt.
Auf den ersten Blick sieht die Kii Three wie ein designter „Schuhschachtel-Lautsprecher“ aus. Durchaus sehr elegant, Standardfarbe ist weiß, andere Wunschfarben gegen Aufpreis in Hochglanz, Matt oder Metallic. Auf einem passenden Design-Ständer. Der Lautsprecher hat die Maße 20 x 40 x 40 cm und verspricht „… der erste Lautsprecher, der Klarheit und Auflösung eines großen Fullrange Systems erreicht und sogar übertrifft, während er auf Grund seiner Größe auch in wesentlich bescheideneren Räumlichkeiten funktioniert.“
Ein Frequenzgang von 20 Hz bis 25.000 Hz mit einer Abweichung von +/- 0,5 db wird angegeben (sic!). Durch ein spezielles Prinzip, das über ein integriertes DSP-System eine „keulenförmige“ Klangabstrahlung ermöglicht und letztlich dafür sorgt, dass die versprochenen Werte realisiert werden.
Insgesamt sind pro Seite sechs (!) Lautsprecher integriert, jeder einzelne davon mit einem 250-Watt-Verstärker ausgerüstet und im Bass elektronisch entzerrt. Also 1.500 Watt pro Kanal! Die Probleme der Zeit- und Phasenkorrektur werden mittels des DSP auch angegangen. Außerdem lassen sich dank DSP die Lautsprecher auch an Stellen platzieren, die akustisch nicht optimal sind. Wer also die Boxen nicht frei im Raum aufstellen kann, sondern z.B. nur an der Wand oder vielleicht gar noch im Eck, der kann mittels des DSP die Aufstellung weitgehend optimieren. Einfach nach Gehör direkt am Lautsprecher, ohne Messmikrofone, Laptop oder Einmessprogramme. Alles was notwendig ist, bringt der Kii Three mit. Ein erster euphorischer Test im September 2015 in der Zeitschrift AUDIO belegt, dass dies alles nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch funktioniert (siehe http://kii.audio/phocadownload/AUDIO_09_15_Kii_THREE_web.pdf).
Wer den Kii Three zum ersten Mal sieht, glaubt nie und nimmer, dass dieser Lautsprecher einen echten Tiefbass übertragen kann. Man erwartet eher die übliche „Delle“ bei 80 bis 100 Hz, mit dem viele Kleinlautsprecher Volumen und Bass vortäuschen. Eine Orgelaufnahme oder ein gestrichener Bass über die Kii Three abgespielt, beweist das Gegenteil. Da ist tatsächlich eine echte tiefreichende Basswiedergabe vorhanden. Eine Aufnahme mit einem großen Flügel, gleich ob Steinway oder Bösendorfer, unterstreicht dies.
Auch die räumliche Abbildung steht: Der Flügel wird in seinen korrekten Dimensionen vor dem Hörer abgebildet und der Lautsprecher vom Zuhörer nach kurzer Zeit einfach vergessen. Stimmen: Eine Aufnahme der Kings Singers, die Paul Simon interpretieren: jeder einzelne Sänger wird plastisch abgebildet, die Aufnahme kommt leicht und mühelos rüber, es swingt. Vokaler Rockjazz: die Sängerin wird von einem Walking Bass begleitet. Trotz der massiven Bassunterstützung wirkt die Stimme nie aufgebläht oder verfärbt. Man hat beides: den tiefreichenden E-Bass und die filigran wirkende Sängerin.
Der aufgerufene Preis für die Kii Three ist dann die nächste (positive) Überraschung. Für 10.000 Euro wechselt ein Paar den Besitzer. Einfach einen Vorverstärker anschließen und los geht das Vergnügen. Dabei kann die Kii Three auch digital angesteuert werden. Ein entsprechender Controller soll für einen Preis von ca. 1.500 Euro im 3. Quartal 2016 lieferbar sein.
Aber auch die bei Oliver Wittmann gespielte analoge Kombination mit einer Linn-Vorstufe klang absolut überzeugend. Die Musik kam vom Server, wobei größtenteils mit der üblichen CD-Datenrate (16 Bit, 44,1 kHz) vorgeführt wurde, aber auch mit HighRes- und DSD-Daten. Spaß machte beides, wobei Chris Reichard einwarf, dass die Unterschiede in der Auflösung gehörmäßig nicht so groß sind. Bei digitaler Ansteuerung der Kii Three würden diese nochmals geringer, da dann ein Upsampling vorgenommen wird. Aber auch bei analoger Ansteuerung klang es absolut homogen. Geigen behielten ihren „Schmelz“, Sängerinnen ihr Timbre, Rockmusik knallte und Jazz swingte…
Mein Fazit: Für die geforderten 10.000,- Euro ist der Kii Three eine echte Sensation! Es gäbe genügend Anbieter auf dem Markt, die für diese Qualität deutlich mehr verlangen würden (und das wäre dann immer noch gerechtfertigt). Wer eine neue Highend-Anlage aufbauen will oder wer der großen Boxen und Verstärker-Boliden überdrüssig ist und eine elegante Lösung für sein Wohn- oder Musikzimmer sucht, ist bei der Kii Three genau richtig. Die Zukunft ist digital und aktiv. Mehr Information zur Kii Three auf der Hersteller-Website.
Nein, der Kii Three ist nicht der „beste Lautsprecher der Welt“. Einen solchen gibt es nicht. Dafür sind die Höransprüche und die auf dem Markt angebotenen technischen Lösungen zu unterschiedlich. Konservative Highender werden immer noch dem relaxten Charme von englischen Monitorlautsprechern erliegen oder dem von Flächenstrahlern, egal ob Bändchen oder Elektrostat. Eine Verity Audio Parsifal bleibt auch weiterhin ein Highend Statement für das, was technisch und akustisch machbar ist. Oder eine Avantgarde Acoustic Uno XD wird – vielleicht noch angesteuert von einem Röhrenverstärker aus dem Hause Octave – immer seine Liebhaber finden.
Beim nächsten Music Day am 28. April plant Oliver Wittmann übrigens, die neue Avantgarde Acoustic Uno XD zu präsentieren. Man darf gespannt sein, wie dieser – gegenüber seinem Vorgänger nochmals deutlich verbesserter – Hornlautsprecher spielt. Wir sehen uns…
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen