Donnerstag, 22. Dezember 2016

Hörbericht: Lautsprecherkabel Swisscables Reference Plus

Ein Hörbericht von Martin Faßnacht

Nicht abschrecken lassen!

Zunächst wollte ich das von Oliver Wittmann zur Verfügung gestellte Kabel verschmähen: Eigentlich hatte ich keine Lust, einen 4,50 Meter langen, schwarzen Gartenschlauch mit einem Durchmesser von 24 Millimetern quer durch mein Musikzimmer zu verlegen und dann auch noch die etwas störrischen Endstücke in den sehr beengten Verhältnissen hinter meinem Rack anzuschließen. Nur zum Vergleich: Die großen Kimber-Kabel sind zwar noch dicker, aber deutlich flexibler. Von meinem bisherigen XLO-Kabel ganz zu schweigen …

Mit Hilfe von Markus Nolden fand sich dann doch noch eine pfiffige Möglichkeit, das Kabel einigermaßen gelungen zwischen Linn Klimax 500 Solo-Endstufen und Quad ESL-2905-Elektrostaten zu installieren. Unabhängig vom neuen Kabel kam der Tiefbass wie bisher vom Velodyne DD 18-Subwoofer.

Genießen!

Sobald das Kabel eingespielt ist, kann man in Musik schwelgen. Es klingt einfach geglückt fließend, vollkommen selbstverständlich, völlig unangestrengt. Und was mich vor allem in Enthusiasmus versetzte: Phänomenales Auflösungsvermögen ging einher mit unvergleichlich schönen Klangfarben. Meine Hör-Eindrücke möchte ich anhand einiger LPs und CDs genauer beschreiben:

Collegium Terpsichore: „Daentze aus Terpsichore“ u.a. (DG-LP/Nachpressung): Bei diesen im Jahr 1960 optimal aufgenommenen Einspielungen von Tanzmusik der Renaissance ist der akademische Begriff der Klangneutralität nicht mehr angemessen: Alle Klangfarben, vom Gebrumme der Gamben bis zum Klingeln des Schellenkranzes scheinen zu leuchten, aber eben nicht in einem einheitlichen Schimmer, sondern so, wie sich die Instrumente in Wirklichkeit anhören. Das Cembalo hat einen völlig anderen Klang als das Xylophon, und trotzdem scheinen beide Instrumente wie blank poliert. Und dazu die Durchhörbarkeit, das leichte Vibrato der tiefen Streichinstrumente ebenso wie das Auflösen des Schellenkranzes in einzelne kleine Metallplättchen. Besser habe ich diese viel gespielte Testplatte noch nie gehört.

Bizet/Prokofieff/Dukas: Leonard Bernstein/New York Philharmonic (CBS-LP): Auch im Tieftonbereich funktioniert diese herausragende Auflösung: Bei Paul Dukas „Der Zauberlehrling“ (bekannt aus dem Film „Fantasia“ von Walt Disney) kann man die akustische Arbeit der unterschiedlichen „Tieftöner“ im Orchester (Fagott, Kontrafagott, Cello, Kontrabass) exzellent heraushören. Nicht in dem Sinne, dass der Tieftonbereich dominant wäre, sondern dass man die klanglichen Unterschiede völlig unangestrengt heraushören kann, wenn man das als Hörer möchte.

Mozart: Don Giovanni (EMI-LP): Unter HiFi-Gesichtspunkten ist die legendäre Einspielung mit dem Philharmonia Orchestra unter der Leitung von Carlo Maria Giulini sicher nicht die beste Aufnahme. Das Orchesterpanorama ist eingeschränkt und flach. Aber man meint, in den Arien, Szenen und Rezitativen echte Menschen singen zu hören und nicht gute Sängerinnen und Sänger: Ein Diener, der sich wortreich über die Eskapaden seines Herrn beschwert; eine von ihrem Liebhaber schmählich im Stich gelassene Frau; ein Liebespaar, das durch das Eindringen von Don Giovanni ein Trauma erleidet; ein junges Mädchen, das sich kurz vor ihrer Hochzeit über ihre Gefühle noch nicht ganz im Klaren ist; und natürlich einen virilen Titelhelden, dessen amouröse Vorhaben allesamt scheitern und der dennoch bis zuletzt dem Tod ins Gesicht lacht. Mit dem neuen Kabel sind diese vokalen Glanzleistungen mühelos und genussvoll zu hören.

Chor des Bayerischen Rundfunks: „Leise Töne der Brust“ (Oehms-CD): Die Aufnahmen zu dieser CD fanden über mehrere Jahre hinweg in verschiedenen Sälen statt. Das Ohr des Hörers empfängt feine Informationen zu den jeweiligen Aufnahmeräumen. Und der Weltklasse-Chor des BR füllt diese Räume fabelhaft mit seinem Klang.

Alison Balsom: „Kings & Queens“ (Warner Classics-CD): Über eine Trompeten-CD gerate ich normalerweise nicht ins Schwärmen. Aber wie Alison Balsom bei den Werken von Purcell und Händel auf ihrer Naturtrompete (ohne Ventile) Töne poliert, Sänger imitiert oder begleitend umschmeichelt, sich nahtlos ins Barockorchester einfügt und dann wieder prominent daraus hervortritt, das ist schon ganz große Kunst. Dass ihr Ton stets kultiviert bleibt und nie auch nur in die Nähe des Gellenden gerät, ist auch ein Verdienst der sorgfältigen Tontechnik, die stets eine angenehme Distanz wahrt.

Modest Mussorgsky: „Das Klavierwerk“ (Eterna-LP): Die Pianistin Viktoria Postnikowa zeigt - vor allem im Vergleich zu romantischen Werken von Robert Schumann und Peter Tschaikowsky - wie neuartig russisch das Klangmuster, die Rhythmik und die Tonalität der „Bilder einer Ausstellung“ damals waren: In Mussorgskys eigenen Worten: „Zu neuen Ufern!“ Postnikowa spielt groß, männlich, russisch, in einigen Sätzen wunderbar entschleunigt. Auch Nicht-Experten wie ich können zum Beispiel die Noten von „Catacombae“ problemlos mitlesen. Durch das ruhige Grundtempo wirkt das „Große Tor von Kiew“ noch mächtiger, fast sakral aufgeschichtet als in vielen Vergleichseinspielungen. Wunderbare Platte! Und ein Beweis, wie gut Klavieraufnahmen via großem „Analogbesteck“ gehört klingen können.

Zwischenfrage: Kann man mit dem Swisscable Reference Plus nur Klassik hören? Keineswegs!

Hans Theessink: „Slow Train“ (Blue Groove-LP): Was soll ich hier loben? Die lakonische Country Blues-Stimme, die exzellent gespielte Fingerpicking-Gitarre, den unaufdringlichen, aber teilweise mörderisch tiefen Bass, das fein aufgelöste Anschlagen der Becken, den afrikanischen Chorgesang, die schöne breite und tiefe Staffelung …

Emmylou Harris: „Angel Band“ (Warner Bros.-LP): Anderes Genre: Country und Gospel. Wer die hauchende, leicht vibrierende, traurig klingende, fast ohne Konsonanten auskommende Stimme von Emmylou Harris mit alten Songs, einer kleinen Akustik-Besetzung mit zurückhaltendem Background-Gesang in Bühnen-Atmosphäre hören möchte, kommt bei dieser sagenhaft natürlich und transparent aufgenommen Live-Aufnahme auf seine Kosten.

Dana Fuchs: „Love to beg“ (Ruf-CD): Härtere Kost gefällig? Dana Fuchs Stimme klingt wie eine Zwillingsschwester von Melissa Etheridge. Mit ihrer Band spielt sie handgemachte Rockmusik mit schneidend scharfer E-Gitarre, pumpendem Bass, humorlos gedroschenem Schlagzeug, wabernder Hammond-Orgel; mal heavy, mal mit Blues-Gefühl, mal mit Soul-Einschlag. Die Produktion ist eher druckvoll und kompakt als analytisch und weiträumig geraten.

Miles Davis: „Bitches Brew“ (MFSL-LP/Nachpressung): Dieses epochale Album startet mit dem Titel „Pharaoh's Dance“: Zwei Schlagzeuger markieren mit rhythmischer Becken-Arbeit die beiden Ende des breiten Studio-Panoramas. Dazwischen tonangebend eine wundervoll plastische Bass-Klarinette, fast schüchtern das Saxophon und das E-Piano, mit diversen aggressiven Einwürfen die E-Gitarre und natürlich die sparsamen, aber unverkennbar strahlenden Trompeten-Exkurse des Chefs. Dezent in den Hintergrund gemischt tönt der Bass. Der Studiosound ist transparent wie die besten Klassik-Aufnahmen aus dieser Zeit. Viel besser als beispielsweise die ersten Weather Report-Alben. Die teure MFSL-Pressung ist ein Wunder an Laufruhe.

Mop Mop: „Isle Of Magic“ (Agogo-CD): Es beginnt mit einem Geräuschteppich wie in einem Hörspiel. Und dann? Dancefloor Jazz? Voodoo Groove? Afro Funk? Diese CD ist auf jeden Fall eine Lust für Freunde explosiver Percussion-Arbeit: Hart angeschlagene Trommeln, Congas, Marimbas, Shaker, Vibraphon und vieles mehr. Da vibrieren die Felle - und die Trommelfelle des Hörers. Dass da auch noch Einsprengsel von Bläsern, Sprech-Stimmen mit politischen (?) Botschaften und Keyboards vorhanden sind, spielt in der Geklöppel-Orgie nur eine Nebenrolle. Perfekt eingefangene Weltmusik. Leider ist dieses Album nur noch als Download erhältlich. Für die LP-Ausgabe werden auf dem Gebrauchtmarkt deftige Preise aufgerufen.

Leyla McCalla: „A Day for the Hunter, a Day for the Prey“ (Jazz Village-CD): Nein, das ist keine der geradezu „klassischen“ High End-Aufnahmen, wie wir sie von Sara K. oder Holly Cole kennen. Sie wissen, was ich meine: Weite Räumlichkeit, holografische Abbildung, Tiefbass soweit das Ohr reicht. Aber man hört auf dieser CD wunderbar, wie Leyla McCalla beim Titelstück mit ihrem Bogen auf die Saiten des Cellos schlägt. Oder im Titel „Les plats sont tous mis sur la table“ das Cello im Cajun-Wettstreit mit der Fiddle, dazu die prägnant klingelnde Triangel. Oder das schön sonore Sousaphon im Fast-Dixie-Titel „Far from your Web“. Mit anderen Kabeln fehlte bei diesem großen Blasinstrument die volltönende Tiefe. Bei diesem Titel fiel mir auch besonders auf, wie direkt Banjo, Fiddle, Klarinette und vor allem die Sängerin vor meinen Ohren im Studio musizierten. Mit dem Swisscable war ich live dabei.

King & Moore: „Potato Radio“ (Justice-CD): Bei der ersten Funktionskontrolle des fabrikfrischen Swisscables mit meinem Lieblingstitel „Alligator Dancing“ klang der Akustik-Bass etwas dumpf, die Stimme, der Kopf von Nancy King war nicht exakt erkennbar, das erste Anschlagen des Glöckchens schien verhangen. Was für ein Vergleich zum eingespielten Kabel eine starke Woche später! Da wird das einleitende Percussion-Geklapper fein aufgelöst, der Akustik-Bass klingt körperhaft tief, die Saxophon-Töne schön verschliffen, dann erscheint leibhaftig die Sängerin – wegen der Art des Singens dachte ich immer, das sei eine Afro-Amerikanerin – und endlich das exakt angeschlagene Glöckchen: Ein kurzes Ping, nicht scharf, aber prägnant, gefolgt vom schnellen Ausklingen, gegen Ende dann das traumhaft plastische Tenorsax-Solo. Wieder bin ich ganz nahe dran am Live-Geschehen.

Fazit

„Mit Abstand und unabhängig vom Preis das beste Lautsprecherkabel, das ich je gehört habe.“ Das waren die Worte von Oliver Wittmann in einem unserer Vorgespräche. Ich würde mein eigenes Votum etwas vorsichtiger formulieren: Keines der anderen von mir ausprobierten Lautsprecherkabel erreichte diese goldene Schnittmenge aus differenzierten Klangfarben, exzellentem Auflösungsvermögen, prägnanter Kraft und ausgeprägter Schnelligkeit, die das Swisscable Reference Plus auszeichnet.

Gartenschlauch-Anmutung und aufwändige Verlegung hin oder her – in meiner Anlage möchte ich das Swisscable nicht mehr missen.

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für den aufschlussreichen Hörbericht und nebenbei für die vielen Hörtipps. Da bekommt man tatsächlich "Lust auf Mehr".

    AntwortenLöschen